Historie
Zwei Jahrhunderte in Bad Reichenhall

Die Historie des Deutschen Kaiser

Phönix aus der Asche – der Deutsche Kaiser entsteht

Großbrand in Reichenhall am 8. November 1834

Die Geschichte des Hotels Deutscher Kaiser beginnt mit dem Reichenhaller Stadtbrand im Jahre 1834. Der Brand vernichtete 278 Gebäude in der Altstadt und machte 2500 Bürger obdachlos, etwa 13 Tote gab es zu beklagen.

Da Katastrophenbewältigung stets mit Innovation und Modernisierung einhergeht, war auch der Reichenhaller Stadtbrand ein Wendepunkt zur Entwicklung des späteren Kur- und Badeortes in dem nun eine rege Bautätigkeit einsetzte.

Aus den Ruinen des Stadtbrandes entsteht 1835 der Deutsche Kaiser

Aus der Ruinen erheben sich schon bald die ersten Neubauten nach dem Brand, wie der Blick vom ehemaligen Salzburger Tor veranschaulicht. Der Mittelbau des heutigen Deutschen Kaisers wurde unmittelbar nach dem Stadtbrand von dem Bierbrauer Paul Käufel (1788 – 1874) errichtet.

Paul Käufel, der Erbauer des Anwesens „Zum Löwen“,
Urbau des Deutschen Kaisers (um 1850)

Der Gründer des heutigen Anwesens errichtete den Gasthof und die Brauerei zum Löwen als einer der ersten Bauherren im Erschließungsgebiet vor den Stadtmauern. Gleichzeitig entstand gegenüber dem Gasthof ein Garten mit offenen Veranden und einem kleinen Pavillon für den sommerlichen Betrieb - die Urzelle des späteren Hotels "Zum Goldenen Löwen". Nach dem Ableben von Paul Käufel übernahm dessen Schwiegersohn Johann Nepomuk Puchner (1800-1874) den Gasthof und führte ihn bis zum Jahre 1867. Puchner verkaufte 1872 den gesamten Besitz an den Wiener Hotelier Franz Zöchmann (1831-1916) und dessen Frau, die bisher ein Kasino für Adelige in Wien und in Salzburg geleitet hatte. Zöchmann betrieb Gasthof und Brauerei "Zum Löwen“ ohne größere baulich Veränderungen bis zum Jahre 1886.

Wächter der Geschichte: Herrscherbüsten im ehemaligen Lokal Kaiserhof 2012

In den ersten fünfzig Jahren seines Bestehens hatte das Anwesen dreimal den Besitzer gewechselt. Der bescheidenen Gasthof spiegelt die ruhigen Anfänge des Tourismus in Reichenhall wider, der sich mit Beginn des Kaiserreiches dramatisch verändern sollte. Als 1871 in Schloss Versailles das deutsche Kaiserreich proklamiert wurde, galt es mit neuem Nationalbewusstsein der preußischen Vorherrschaft seine Referenz zu erweisen. Die Zugeständnisse manifestierten sich in Namensgebungen, der Kunst und Architektur, dem gesamten kulturellen Leben. Die Reichsgründung unter preußischer Vorherrschaft brachte Reichenhall auch Tourismusvorteile: 1886 weilte Prinz Wilhelm v. Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm II. zur Kur in Reichenhall , gefolgt vom österreichisch-ungarischen Kronprinzen Rudolf und dem bayerischen Prinzregenten Luitpold. Im Deutschen Kaiser wurden Gipsbüsten des bayerischen Prinzregenten Luitpold, des preußischen Kaiser Wilhelm II. und des österreichischen Kaiser Franz Joseph zur Aufstellung gebracht.

Unternehmer Michael Bader hier mit Ehefrau veränderte das Stadtbild von
Bad Reichenhall

Auswärtige Bauunternehmer und Spekulanten veränderten schon bald das Bild der Stadt mit gewaltigen Investitionen in Bauvorhaben. Der Hotelbesitzer Michael Bader (1829-1898) und sein Schwiegersohn Hofmann betrieben verschiedene Hotelprojekte in Reichenhall wie das Hotel Panorama, die Villa Continental und die Villa Wilhelmine. Bauunternehmer Bader beabsichtigte ursprünglich eine städtebauliche Neuordnung des gesamten Kaiserplatzes mit neuen repräsentativen Wohn- und Geschäftshäusern.

Des Kaisers neue Kleider:
vom Brauereigasthof (um 1850) zum Grandhotel (um 1900)

1886 erwarb Bader den Gasthof „Zum Löwen“ und baute ihn unter Einbeziehung der Altbausubstanz großzügig zum Grandhotel um. Der alte Gasthof ist im Kern des Neubaus gut sichtbar. Der neue dreigeschossige Komplex mit einer 70 m langen Mittelfront und den 35 m langen Seitenflügeln entstand und wurde zum Mittelpunkt des nach ihm benannten Kaiserplatzes. Die völlige Um- und Neugestaltung des ehemaligen Brauereigasthofes „Zum Löwen“ geschah in den Jahren 1892-1894 unter Beiziehung der bekannten Münchner Baufirma Stöhr aber auch mit den hiesigen Firmen Schubert, Dürk und Böhm. Es erhielt den Namen Hotel „Deutscher Kaiser“ ganz im Sinne des neuen Nationalbewusstseins.

Im Goldenen Löwen am Kaiserplatz schlug das gastronomische Herz
der Hotelanlage

Gegenüber errichtete Bader nach Abbruch des ehemaligen Fortunabades einen Neubau mit Restaurationslokalitäten. Das Hotel hieß nun “Goldener Löwe“, das seinen Namen – ohne Traditionsverlust - von „gegenüber“ mitnehmen durfte.

Bader ließ im Goldenen Löwen einen Biergarten und große Säle für bis zu 500 Gästen entstehen, deren repräsentative Ausstattung mit edlem Parkett, Wiener Thonetstühlen und prächtigen Kronleuchtern den Geschmack des Publikums traf.

Beide Hotels hatten eine Kapazität von 210 Betten in 130 Zimmern und entwickelten sich im Zentrum des aufblühenden Kurortes zu einem Mittelpunk bürgerlicher Gastlichkeit.


Familie Jung 1896

Postkartenansicht der Hotels um 1900

Auf dem Höhepunkt der Kaiserepoche wechselte der Deutsche Kaiser zum 5. und bislang letzten Mal seinen Besitzer und liegt seitdem in den Händen der Familie Jung.

Johann Jung, 1855 in Mertingen geboren, hatte sich als gelernter Metzger und Brauer in Frankreich eine gastronomische Karriere erarbeitet. Mit den in Frankreich erwirtschafteten Ersparnissen kehrte die Familie 1886 nach München zurück, wo sie in rascher Folge als Pächter großer Objekte auftraten. Johann und Therese Jung führten den Gabelsberger Keller und den Arzberger Keller, zwei Großgastronomien, die zu den Flaggschiffen der Münchner Bierpalästen jener Epoche zählten. Als der Familie kurz darauf das Mathäser Bräu zur Pacht angeboten bekam, zog Johann Jung aus gesundheitlichen Gründen die Reißleine. 1896 erwarb er in Reichenhall die Hotels Deutscher Kaiser und Zum Goldenen Löwen.

Johann und Therese Jung um 1880

Er erwarb für 900.000 Reichsmark ein für damalige Verhältnisse modernes Anwesen, sozusagen schlüsselfertig. Schon die erste Saison im Eröffnungsjahr 1898 brachte guten geschäftlichen Erfolg. Es gab ein Überangebot an außergewöhnlich treuen und qualifizierten Mitarbeitern bei bescheidener Entlohnung und geringen Steuern und Abgaben. Trotz jährlicher Zinslast gelang es der Familie in den Jahren 1898 bis 1914 die langfristigen Schulden von 800.000 RM bis auf 200.000 RM abzubauen.

In der Blütezeit verkündete das Hotelprospekt die Vorzüge des Hauses um 1910:

„Bad Reichenhall der berühmte, stark besuchte Bade und Kurort, mit einer jährlichen Frequenz von 40.000 Gästen, ist Vermöge der günstigen, großartigen Lage gleichzeitig eine Sommerfrische und Erholungsstätte aller ersten Ranges. Die 7000 Einwohner zählende Stadt ist daher der Lieblingsplatz aller Kräftigung suchender wie auch das Ideal des Natur- und Gebirgsfreundes. Die Lage ist großartig: die Heilkraft der Bäder, die würzige, erfrischende Luft, oft gerühmt und bekannt, 250 km gepflegte Spazierwege, Ausflüge und Bergwanderungen."

„Die Hotels Deutscher Kaiser und Goldener Löwe, alt renommiert, an einem der schönsten Punkte, in der Nähe des Parks und Musikpavillon, sind geöffnet vom 15. Mai bis zum 1. Oktober und besonders geeignet für längeren Aufenthalt Ruhe bedürftiger Herrschaften, wobei alle Arten Bäder im Hause zu haben sind. Das Hotel Goldener Löwe, ganzjährig geöffnet, wird besonders bevorzugt von Familien und jenen, welche auch für kürzere Zeitdauer angenehme Wohnung nehmen wollen. Auch der Tourist und Passant nimmt hier gerne Aufenthalt und findet bei mäßiger Preislage angenehmes Heim.“

Der Konversations- und Lesesalon im Deutschen Kaiser, dessen Ausstattung noch teilweise erhalten ist.

Als noch Briefe geschrieben wurden im Salon des Deutschen Kaisers.

Lebendige Geschichte eines Grandhotels durch die erhaltene Innenausstattung.

Was der Gast um die Jahrhundertwende erwarten durfte erzählt das Hotelprospekt:

Beide Hotels, mit allem Komfort eingerichtet, enthalten 200 Betten, geräumige Zimmer mit und ohne Balkons, Salons, Lese- und Schreibzimmer, einen großen Speisesaal und hübschen Garten und weitere Restaurations- Räume. Auf Verabreichung vorzüglicher Speisen und Getränke wird besondere Sorgfalt verwendet. Die Küche erfreut sich besten Renommes und an Getränken wird das Beste geboten.

Mit den Hotels verbindet sich das Kaiserbad , mit allen Arten von Bädern. Eigene Waschanstalt. Elektrisches Licht, Zentralheizung, Wasserleitung, Klosets nach sanitären Vorschriften. Elegante Equipagen zum Ortstarif. Besorgung von Automobilen und Gesellschaftswagen."


Krieg und Frieden

Der Deutsch Kaiser unter Kriegsfahnen im Ersten Weltkrieg

Mit der Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand und dessen Gemahlin im bosnischen Sarajevo am 28. Juni 1914 brach der Erste Weltkrieg über Bad Reichenhall herein. Die dramatischen Ereignisse führten zur Massenabreise der ausländischen Gäste und fegten die Hotels leer. Auch in den Jungschen Hotels brach mit dem Ausbleiben der Gäste und steigender Lebensmittelverknappung die Wirtschaft ein.

Die Säle im Goldenen Löwen waren stets aufwendig geschmückt.

Der Goldene Löwe war seit jeher Schauplatz großer Vergnügungsveranstaltungen aber seit Kriegsbeginn auch Austragungsort politischer Versammlungen. Die Etablissements boten auf Grund ihrer Größe den einzigen Versammlungsort für 500, manchmal auch bis zu 1000 Menschen. Doch in den bewegten Jahren des Ersten Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise wurde hier vor allem gefeiert als gäbe es kein Morgen. Die wilden 20er Jahre tobten im Goldenen Löwen.

Fasching am Kaiserplatz um 1930

Die zweite und dritte Generation Jung 1934: Victor Jung und seine Frau Marielle mit Sohn Viktor

Drei Generationen der Familie Jung erlernten von der Pike auf das Gastronomie- und Hotellerie-Handwerk. Der Gründer, Johann Jung, hatte sich aus einfachen Verhältnissen stammend als „Selfmade Man“ vom Metzger und Brauer zum Hotelpatron mit Grundbesitz emporgearbeitet. Sein Sohn Victor erhielt bereits die klassische Hotelfachausbildung. Er absolvierte die Hotelfachschule in Brüssel und wurde anschließend als Lehrling in die Welt geschickt, um in den damals besten Grandhotels zu arbeiten. Seine Lehrstationen waren exklusiv aber arbeitsreich: das Carlton Hotel Pall Mall, in Rom das zur Ritz Companie gehörende Hotel Excelsior, in Paris das Hotel L’Autriche, in Reins die Sektkellerei Veuve Cliquot, Hotels in Le Havre, Trouville, Paris und London und Glasgow folgten.

Victor Jung überflog als Copilot die Cheops Pyramide, Originalaufnahme 1910

Höhepunkt von Victor Jungs Wanderjahren stellte zweifellos seine Beschäftigung in den fünf Hotels der Nungowitsch-Hotel-Companie in Kairo dar. Als Angestellter im dortigen Mena House hatte er im Jahre 1910 die Gelegenheit als erster Mensch die Cheops Pyramide zu überfliegen, was im Reichenhaller Tagblatt am 26.01.1938 seinen Niederschlag fand:

 „Der erste Flug über die Pyramiden vor 28 Jahren. Es dürfte unsere Leser interessieren, dass der erste Flug über die berühmten Pyramiden von Gizeh mit einem Reichenhaller als Fluggast ausgeführt wurde. Herr Viktor Jung befand sich damals, 1910, als Hotelangestellter in Kairo und wurde von dem früheren russischen Rennfahrer Atatschkin eingeladen, mit ihm einen Flug über die Pyramiden in seinem Bleriot- Eindecker auszuführen. Bei den damaligen Stand des Flugwesens, das noch sehr in den Kinderschuhen steckte, war dies eine ziemlich gewagte Sache. Jung wollte sich aber auch nicht lumpen lassen und stieg ohne langes Besinnen in das Flugzeug, damals Aeroplan genannt. Neben dem Aviatiker nahm er seinen Platz ein, der 60pferdige Motor wurde angeworfen und am Schwanzende von mehreren Arabern gehalten. Dabei wurde durch den Luftzug der Sand derart aufgewirbelt, dass die Araber sogleich die Augen davon voll hatten. Bald erhob sich das Flugzeug in die Luft und flog haarscharf über die 150 m hohe Cheopspyramide hinweg. Damit waren Atatschkin und Viktor Jung die Ersten, die die Pyramiden überflogen haben.“

Drei Generationen um 1940: Victor Jung sen., Johann Jung und Viktor Jung jun.

Huldigung des Führers Adolf Hitler am Kaiserplatz.

Die Zeit des Nationalsozialismus drückte auch dem Deutschen Kaiser seinen Stempel auf. Am 6. März 1931 wird der Saal des Hotel Goldener Löwen erneut Schauplatz politischer Auseinandersetzungen und spiegelt die deutliche Radikalisierung der Stadt wider. Zu der NSDAP Parteiveranstaltung erschienen 700 Personen, darunter 200 uniformierte SA-Leute. Im Verlauf der Veranstaltung kam es zur legendären Saalschlacht im Goldenen Löwen zwischen Nationalsozialisten und Mitgliedern des Reichsbanners sowie Kommunisten mit dreißig Verletzten und erheblichen Sachschaden.

Aufzug der Nationalsozialisten am Kaiserplatz. Rechts: Aufräumen des Putzkommandos nach der Saalschlacht.

Der Kaiserhof gezeichnet von Fremdbelegung

Der Deutscher Kaiser und der Goldenen Löwe überstanden den Zweiten Weltkrieg ohne Bombenschaden. Nach Kriegsbeginn am 1. September 1939 lief der Hotelbetrieb mit wenigen Unterbrechungen bis zum Kriegsende 1945 weiter. Gegen Ende des Krieges musste das Hotel Deutscher Kaiser im November 1944 an das O K H ( Oberkommando des Heeres mit Fahrzeugpark und Wachkompanie) abgetreten werden. Der Hotelbetrieb wurde im Deutschen Kaiser eingestellt. Damit begann eine 16 Jahre währende Fremdbelegung des Hauses. Am 5. Mai 1945 trafen in Bad Reichenhall französische Truppen ein, deren gewaltsames Auftreten in der Bevölkerung Angst und Schrecken auslösten . Das Haus wurde von gaullistischen Truppen geplündert, Frauen vergewaltigt. Nach Abzug der Marodeure zogen Amerikanische Kampftruppen der Rainbow Division mit Sitz in Salzburg bis zum Herbst 1945 ein.

Nach Freigabe durch die Besatzungsmacht wurde das Hotel vom städtischen Wohnungsamt Bad Reichenhall mit Bombengeschädigten und Flüchtlingen belegt.


Wiederaufbau

Viktor und Toni Jung traten nach dem Zweiten Weltkrieg ein schweres Erbe an.

Viktor Jung hatte vor Kriegsbeginn die Hotelfachschule in Lausanne absolviert. Seine Lehr- und Wanderjahre verbrachte er auf den Schlachtfeldern. Nach der Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft und der Währungsreform am 21. Juni 1948 begann Viktor Jung gemeinsam mit seiner Frau Antonie den Wiederaufbau beider Hotels.

Die Belegung mit 300 Flüchtlingen und Bombengeschädigten durch das städtische Wohnungsamt dauerte bis in die 60er Jahre an. Die Nachkriegsbilanz war ernüchternd, da die Bausubstanz und das Inventar schwer beschädigt waren. Die Parkettböden und das Mobiliar waren teilweise verheizt worden, Sanitäranlagen zertrümmert, das Dach undicht und die Gebäude vom Mauerfraß befallen. Zimmerweise wurde das Hotel wieder zurückgewidmet und saniert und verschlag Jahr für Jahr hohe Reparaturkosten.

Der Deutsche Kaiser -von den Bomben verschont, aber bis 1960 unter Fremdbelegung.

So wurde kräftig investiert und die 50er Jahre hielten Einzug. Während der Deutsche Kaiser sein äußeres gründerzeitliches Ambiente weitgehend behielt, wurde der Goldene Löwe einem Lifting im Stile der 50er Jahre unterzogen. Denn hier spielte sich in den verschiedenen Lokalen, Empfangsräumen, Küchen, Kellern und Sälen das gesellschaftliche Leben ab. Folgen Sie mir auf einen Rundgang durch diese Zeit:

Der Gastgarten des Goldenen Löwen im 50er Jahre-Gewand

Moderner Hoteleingang, futuristisch anmutende Hotelhalle, das obligate Fernsehzimmer und das Restaurant.

Die letzten Hoteljahre mit neuer Kurabteilung 1970.

Nach den Jahren des Wirtschaftswunders zeichnete sich ab, dass beide infrastrukturell überalterte Häuser mit einem enormen Investitionsstau den Ansprüchen der Hotellerie nicht mehr Genüge leisten konnten. Zu den Kriegsschäden, zu den Folgeschäden aus der Belegung und Zweckentfremdung addierte sich die ohnehin rasante Verfallszeit im Hotellerie- und Gastronomie- Gewerbe. Steigende Betriebskosten, Reparaturaufwendungen, Hypothekenbelastung und Personalkosten führten zur entscheidenden Zäsur: Dem Verkauf des Goldenen Löwen und der Einstellung der Hotellerie im Deutschen Kaiser im Jahre 1971.

Neuausrichtung vom Hotel zum Geschäftshaus

Der Deutsche Kaiser wurde fortan als Büro- und Geschäftshaus weitergeführt. In den folgenden Jahren wurde er Innen und Außen unter Erhalt seiner historischen Fassaden und des Daches mit den typischen Gauben nach und nach vollständig renoviert. Viktor Jung leitet in 80er und 90er Jahren die ersten großen Sanierungsmaßnahmen ein. Es erfolgte die komplette Auswechslung von über 200 alten Fenstern durch isolierverglastes Kunststofffenster, sowie die Neueindeckung der über 2000 m² großen Dachfläche in Kupfer.

Dr. Evi Jung tritt im Jahre 2000 die Nachfolge ihres Vaters Viktor Jung an.

Dr. Evi Jung, die Urenkelin von Johann Jung, hatte 20 Jahre als Denkmalpflegerin bei der Kulturbehörde und als Dozentin in Hamburg gelebt und gearbeitet. Zur Jahrtausendwende kehrte sie mit ihrem Sohn Tassilo in die Heimat zurück um die Nachfolge im Deutschen Kaiser anzutreten.

Erneute Sanierungsaufgaben standen an, da sich die Ansprüche der Nutzer laufend steigerten und veränderten. Der Fokus lag in erster Linie auf der statischen und brandschutztechnischen Ertüchtigungen des gesamten Hauses einschließlich der Büro- und Ladenflächen. Die anspruchsvollen Bauaufgaben erforderten dringend die Hinzuziehung eines Experten.

Franz Reichel in Aktion auf der Baustelle Deutscher Kaiser

Franz Reichel, der Lebensgefährte und Geschäftspartner von Evi Jung, brachte als mehrfacher Handwerksmeister und erfahrener Bauträger das Rüstzeug für die Generalsanierung des Deutschen Kaisers mit. Bezeichnenderweise hatte das „Kupferschmiede- und Installationsgeschäft Jakob Reichel und Söhne“, die Vorfahren von Franz Reichel, vor 150 Jahren sämtlich Sanitäreinbauten- und Wartungsarbeiten in beiden Hotels ausgeführt.

Im Jahre 2009 begann Reichel mit dem sukzessiven Umbau aller vorhandenen Ladenflächen, deren Altbausubstanz zum Teil bis in das Erbauungsjahr 1835 zurückführte. Laden für Laden wurde entkernt und statisch sowie brandschutztechnisch neu ertüchtigt.


Generalsanierung

Sanierung der gesamten Ladenlokale im Erdgeschoss des Deutschen Kaisers

Stilgerechte Sanierung des 200 Jahre alten Hauses

In Inneren des Deutschen Kaisers galt es die veralteten Hotelzimmer bürotauglich zu sanieren. Die Gemeinschaftsflächen sowie das Treppenhaus und die weitläufigen Flure waren auf den neusten Stand der Technik zu bringen mit dem Ziel die historische Ausstattung und das unverwechselbare Ambiente zu bewahren.

Über den Dächern von Bad Reichenhall schwebte der alte Aufzug.

Zum dritten Mal wir 2010 der Lift ausgewechselt, Franz Reichel schaffte es innerhalb eines Tages. Ein gewaltiger Kran hob die Kabine aus dem aufgeschnittenen Dach des Hauses. Anschließend wurden Teile des neuen Glasliftes auf dem gleichen Weg in das Treppenhaus gehievt. Die Arbeiten dauerten von morgens bis ihn den späten Nachmittag, verliefen aber ohne Komplikationen.

Das Jugendstiltreppenhaus nimmt den neuen Lift auf.

Das Rückgebäude und Kaiserhof vor und nach der Sanierung

Im Jahre 2012 stand die wohl diffizilste Sanierungsaufgabe für Franz Reichel im Deutschen Kaiser an: Der Abbruch des Rückgebäudes auf engsten Raum an der historischen Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert. Das Rückgebäude nahm im 19. Jahrhundert die Pferdeställe und die Kurbadeanstalt auf, war noch unverändert erhalten und hochgradig einsturzgefährdet. Die von der Alten Saline kommende undichte Soleleitung zur Badeanstalt hatte die Gewölbekappen und Konstruktionen der Decken komplett durchfressen.

Historisch bedeutsam: Die Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert bei der Freilegung

Der Abtrag des dreistöckigen Rückgebäudes erfolgte per Hand, da der Hofraum großen Baggern keinen Raum bot. Zugleich war höchste Sorgfalt geboten,   um die historische Stadtmauer nicht zu verletzen und zu konservieren. Reste eines ehemaligen Wehrturms aus dem 12. Jahrhundert konnten identifiziert und gefestigt werden.

Ausgrabungen Im Kaiserhof

Unerwartete Unterkellerungen und technische Artefakte traten zu Tage, gigantische Heizungskessel und Armaturen wurden geborgen, die Franz Reichels Urgroßvater einst eingebaut hatte. Auch der Technikraum des ersten hydraulischen Jugendstillifts, der mittels Gewichtsausgleich durch Wasser funktionierte, konnte ausgemacht werden. Aus dem Schutt wurde ein bestens erhaltener Keller mir Kreuzrippengewölbe befreit, der nach seiner Sanierung als Weinkeller zur Verfügung steht.

Der neue Kaiserhof entsteht im Jahr 2012

Das solezerfressene Rückgebäude wurde durch einen transparenten, erdgeschossigen Neubau in Glas-Stahlkonstruktion ersetzt. Durch den lichtdurchfluteten Wintergarten fällt der Blick auf die freigelegte Stadtmauer, vor der sich eine Empore mit Bühne befindet. Die Glasfronten des Wintergartens lassen sich zum Hofgarten hin öffnen und schaffen im Sommer eine luftige Verbindung von Innen und Außen. Die ehemals tristen Hoffassaden erstrahlen im ockerfarbigen Glanz und vermitteln eine mediterrane Atmosphäre. Der Kaiserhof wurde von 2012 bis 2017 von einer Gastronomie angemietet. Heute wird die Fläche als Großraumbüro von der Internationalen Hochschule Bad Honnef genutzt.

Café „kaiserlich

Dem Wintergarten gegenüber befindet sich das Bistro „kaiserlich“, dessen bewegliche Glasfronten sich ebenfalls zum Garten hin öffnen und auch zum Kaiserplatz ausgerichtet sind. Die Innenausstattung des Bistros im Stile eines Wiener Cafés ist sehenswert und erzeugt heute eine angenehm behagliche und zugleich stilvolle Atmosphäre. Hier wurde mit besonderer Sorgfalt bis in das kleinste Detail das Inventar des Deutschen Kaisers wieder eingebaut. Im Café finden sich Wandvertäfelungen aus Nussbaum, das Originalmobiliar aus der Entstehungszeit mit zahlreichen Gemälden und Vitrinen, die Antiquitäten und Raritäten des ehemaligen Hotels zeigen.

Wiener Kaffehausflair im Deutschen Kaiser

Eröffnungsanzeige Kaiserhof 2012

Das traditionsreiche Haus „Deutscher Kaiser“ im Herzen der Bad Reichenhaller Innenstadt, blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. 1834 nach dem Reichenhaller Stadtbrand errichtet, wird der einstige bürgerliche Brauerei-Gasthof Ende des 19. Jahrhunderts zur gründerzeitlichen Hotelanlage ausgebaut. Das Haus übersteht den Wandel der Zeit mit zwei Weltkriegen durch ständige Sanierungen bis zum heutigen Tage, seit 150 Jahren geführt von der Familie Jung und von Franz Reichel.